HARFE & KLAVIER-DUOS IM 19. JAHRHUNDERT
Harfe und Klavier im Duo war aufgrund der damaligen Hochblüte beider Instrumente eine beliebte Besetzung im 19. Jahrhundert, die mittlerweile in Vergessenheit geraten ist. Zu den Rezeptionskontexten dieses Repertoires gehörte das alltägliche Ritual der Hausmusik, und vom späten 18. bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Aufführung in Konzertsälen und Salons. Im musikalischen Europa des späten 18. Jahrhunderts geschehen durch das Aufkommen der Industrialisierung Umwälzungen, welche den Instrumentenbau, die musikalischen Formen, die Aufführungspraxis und den Geschmack betrafen, all das verbunden vor allem mit der sozialen Erneuerung der aufkommenden Bourgeoisie.
Ich möchte herausfinden, ob die Beliebtheit der Duo-Besetzung einer bestimmten Gesellschaftsschicht zugeordent werden kann. Handelt es sich um eine Besetzung für die virtuose Darbietung oder eher um ein Repertoire für AmateurmusikerInnen? Waren die beiden Instrumente nur Mittel zum Zweck um die Oper in sogenannten Potpourris bestehend aus Transkriptionen, Réminiscences, Paraphrasen, etc., die von Opernthemen abgeleitet wurden als eine Art von frühen PR-Aktionen zu promoten? Die Arbeit fragt auch nach den gesellschaftspolitischen Hintergründen, welche die beliebte Besetzung mit dem Aufkommen des 1. Weltkrieges in Vergessenheit gebracht haben.
Während das Klavier meist Hauptinstrument war und es damit eine wichtige Rolle bei Konzerten, Aufführungen und – man könnte sagen vor allem – in den Salons der Kunstliebhaber spielte, faszinierte die Harfe mit sphärischen Farbtupfern als Stimmungsinstrument, welches vor allem im aristokratischen Umfeld Einzug hielt. Es stellt sich die Frage, ob Érards revolutionierende Fortentwicklungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts im Instrumentenbau sowohl für die Harfe als auch fürs Klavier beide Instrumente befähigte, ein gewissermassen orchestrales Klangbild darzustellen.
Doch was sind die formalen und klanglichen Parallelen beider Instrumente? Beide Instrumente sind weder allein noch im Duo in die Schublade „Kammermusik“ einzuordnen, vielmehr gehören sie in den Katalog der Soloinstrumente. Formal gesehen nähert sich der Flügel aufgeklappt der Harfe an, der geschwungene Deckel zeichnet die Linie des Halses der Harfe nach, die wie ein gehäutetes Klavier ihre Saiten zeigt, zusammen sind es 277 an der Zahl, die der Harfe aus Naturdarm, die des Klaviers aus Stahl. Als verschieden und doch sehr ähnlich beschreibt man die beiden Instrumente, in der klanglichen Symbiose ergibt sich fast so etwas wie ein neues Instrument: ein einziger, gemeinsamer Klangkörper, erzeugt von zwei Soloinstrumenten mit Eigenständigkeit.
Eine interessante Frage betrifft auch die Zuordnung der Instrumentenpraxis an bestimmte Geschlechterrollen oder -stereotypen. Paradoxerweise wird die Harfe im kollektiven Bewusstsein mit dem weiblichen Geschlecht assoziiert, obschon die ersten virtuosen Harfenspieler und Komponisten Männer waren. Wie sah es wirklich aus? Waren es gar die Männer, welche die Frauen dazu ermutigten sich der Kunst zu widmen?
Im Zentrum der Dissertationsarbeit steht ein umfangreiches Werkverzeichnis für Harfe&Klavier im Duo mit Angaben über Verlag, Erscheinungsdatum und Widmung.