Vom Aussterben bedroht? – Möglichkeiten einer nachhaltigen Entwicklung in Deutschschweizer Blasmusikvereinen
Blasmusik – insbesondere von Laien gespielte – gilt in der breiten Bevölkerung oft als verstaubt, altmodisch, militärisch, langweilig oder bieder. Nichtsdestotrotz ist sie aus dem kulturellen und sozialen Leben vieler Ortschaften, speziell im ländlichen Raum, kaum wegzudenken. Blasmusikvereine unterstützen durch die Aufstellung von Jugendensembles die musikalische Ausbildung von Kindern und Jugendlichen, ermöglichen als partizipative Musizierpraxis allen Menschen – unabhängig ihrer musikalischen Fähigkeiten – einen Raum, um gemeinsam Musik zu machen und bieten der Bevölkerung lokale musikalische Unterhaltung an Altersheimständchen, Platzkonzerten, Umrahmungen von weltlichen und kirchlichen Anlässen sowie eigenen Auftritten. In den 2‘202 Gemeinden der Schweiz existieren 1‘907 dem Schweizer Blasmusikverband (SBV) angehörende Vereine; von den 8‘606‘033 Einwohner:innen des Landes gehören 62‘878 einem solchen an (Stand Anfang 2020).
Trotz ihrer wichtigen gesellschaftlichen Funktionen und scheinbaren Omnipräsenz werden Blasmusikvereine von der Wissenschaft kaum wahrgenommen. Zudem sehen sich die Vereine seit der Jahrtausendwende mit einem zunehmenden Mitgliederschwund konfrontiert. Im Sinne der angewandten Ethnomusikologie möchte ich mittels Interviews und Fragebögen einen Überblick über die Deutschschweizer Blasmusikszene im beginnenden 21. Jahrhundert geben und anschliessend konkrete Lösungsansätze für die aufgezeigten Schwierigkeiten erarbeiten. Zu diesem Zweck scheint mir insbesondere die Frage nach der Nachhaltigkeit bzw. Sustainability der Musizierpraxis relevant: Arbeitet die Schweizer Blasmusikszene heute nach den Prinzipien der Nachhaltigkeit? Wie kann der Erhalt dieser Musizierpraxis für kommende Generationen gesichert werden und wieso soll er das überhaupt? Mich interessiert dabei, ob es für einen Blasmusikverein im 21. Jahrhundert noch möglich ist, die gesamte Bevölkerung musikalisch anzusprechen, wie er mit seiner Aussendarstellung umgeht, wie er versucht, neue Mitglieder zu finden, auszubilden und an sich zu binden, wie er mit seiner Heterogenität – sowohl in Bezug auf seine Altersstruktur wie auch sein Repertoire – umgeht, was für Ziele er sich setzt sowie auch wie er mit dem Aufeinandertreffen von musikalischen und sozialen Werten im Verein umgeht.